Werbung für Kinderlebensmittel: immer noch problematisch
Lebensmittel, die sich gezielt an Kinder richten, stechen leicht ins Auge: mit knalligen Farben, fröhlichen Comicfiguren, Spielbeilagen oder Sammelaktionen. Problematisch ist das, wenn die beworbenen Lebensmittel zu süß, fettig oder salzig sind. Denn Kinder sind eine besonders beeinflussbare Zielgruppe – und Werbung wirkt. Auf ein Gesetz, das an Kinder gerichtete Werbung für bestimmte Lebensmittel einschränken sollte, konnte sich die Politik bislang nicht einigen.
Was sind Kinderlebensmittel?
Rechtlich gesehen gibt es keine eigene Kategorie „Kinderlebensmittel“. Es handelt sich um ganz gewöhnliche Produkte, die durch Gestaltung und Vermarktung gezielt auf Kinder zugeschnitten werden. Typische Merkmale sind:
- Bunte, auffällige Verpackungen mit verspielten Motiven
- Bilder von Comicfiguren, Tieren oder bekannten Wesen aus Filmen
- Bezeichnungen wie „Kinder“, „Kids“ oder ähnliche Begriff
- Kleine Portionen oder besondere Formen (z.B. Sterne, Tiere)
- Spielbeigaben, Sammelaktionen, Sticker
- Werbung in kindernahen Medien (z. B. Fernsehen, YouTube, Social-Media, Webseiten)
- Produktbezogene Online-Spiele oder Apps
Nur für Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder bis zu einem Alter von drei Jahren, wie Säuglingsanfangsnahrung, Folgenahrung oder Beikost gibt es spezielle gesetzliche Vorschriften zur Zusammensetzung.
Gesetzliche Lücken: Gesundheitsversprechen an der Realität vorbei
Während Kinder mit Spiel, Spaß und beliebten Figuren angesprochen werden, zielt die Werbung bei Eltern oft auf ein anderes Thema: Gesundheit. Häufig reichern Lebensmittelhersteller Süßwaren, Snacks und andere kalorienreiche Produkte mit Vitaminen und Mineralstoffen an und geben ihnen so einen „gesunden Anstrich“.
Seit 2007 regelt die Health-Claims-Verordnung, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben erlaubt sind. Danach dürfen die Firmen nur solche gesundheitsbezogenen Angaben machen, die von der EU-Kommission zugelassen sind und in der Liste zulässiger Angaben stehen.
Bei Angaben zur Entwicklung und Gesundheit von Kindern ist der Gesetzgeber noch strenger. Wenn auf einem Lebensmittel Kinder abgebildet sind oder es damit beworben wird, dass es speziell für Kinder geeignet ist, sind ausschließlich 12 Aussagen zugelassen, zum Beispiel
- „Calcium wird für das normale Wachstum und die Entwicklung der Knochen bei Kindern benötigt.“
- „Vitamin D trägt zur normalen Funktion des Immunsystems von Kindern bei“.
Geplant war außerdem die Einführung sogenannter Nährwertprofile – also Mindestanforderungen an die Nährstoffzusammensetzung von Produkten, die mit Gesundheitsversprechen werben. Diese Profile wurden bis heute nicht umgesetzt. Die EU-Kommission kündigte ihre Ausarbeitung zwar an, schloss sie aber nicht ab.
Stark verarbeitet und reich an Zucker, Fett oder Salz
Die Folge: Ohne verbindliche Nährwertprofile können Hersteller auch Süßigkeiten oder fettige Snacks mit Vitaminen anreichern und als gesund bewerben – obwohl das Produkt insgesamt nicht empfehlenswert ist.
Das ist problematisch, weil gerade Kinderlebensmittel oft stark verarbeitet und reich an Zucker, Fett oder Salz sind. Marktrecherchen zeigen seit Jahren: Nur wenige Kinderlebensmittel erfüllen die Ernährungskriterien der Weltgesundheitsorganisation. Die Kriterien ermöglichen es, zu beurteilen, ob Lebensmittel für die Ernährung von Kindern geeignet sind.
Teilweise sind Kinderprodukte sogar schlechter zusammengesetzt als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik. Beispiel sind einige Frühstücksceralien, die viel Zucker enthalten oder Salami, die im Mittel einen höheren Energie- und Fettgehalt aufweist. Ein Blick in die Nährwerttabelle hilft, Unterschiede zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund ist ist auch der Einfluss von Influencer:innen in sozialen Medien bedenklich. Sie sind für viele Kinder echte Vorbilder. Ihre Empfehlungen wirken oft wie persönliche Tipps – nicht wie klassische Werbung. Genau das macht Influencer-Marketing so wirkungsvoll – und schwer durchschaubar für junge Zielgruppen.
Was tut die Politik?
Die Mehrheit der Verbraucher:innen spricht sich bei Werbung für Kinderlebensmittel klar für gesetzliche Beschränkungen aus. Laut einer Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) aus dem Jahr 2020 befürworten 89 Prozent der Befragten verbindliche Obergrenzen für Zucker, Fett und Salz bei Produkten, die sich gezielt an Kinder richten. Auch international gibt es bereits Vorbilder: In mehreren Ländern ist Werbung für ungesunde Lebensmittel zu bestimmten Uhrzeiten im Fernsehen oder in Schulnähe verboten.
Anfang 2023 legte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einen Gesetzentwurf für mehr Kinderschutz in der Werbung vor. Vorgesehen ist, Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt stark einzuschränken, wenn sie sich an Kinder richtet – zum Beispiel in Fernsehen, Social Media, durch Influencer:innen oder im Umfeld von Schulen und Kindergärten. Maßstab sollen die Nährwertkriterien der WHO sein. Doch bis heute konnte sich die Bundesregierung nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.
Einschätzung der Verbraucherzentrale
Werbung für Kinderlebensmittel richtet sich gezielt an eine besonders beeinflussbare Zielgruppe. Umso wichtiger sind klare gesetzliche Regelungen. An Kinder gerichtete Aufmachung oder Werbung sollte nur für Lebensmittel erlaubt sein, die den Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation entsprechen und zum Beispiel bestimmte Höchstmengen an Zucker, Fett oder Salz nicht überschreiten.
Die Beschränkung der Werbung muss alle Formen erfassen, einschließlich Fernsehwerbung, Werbung in sozialen Medien sowie über Influencer und Sponsoring. Die Politik hat mit einem Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bereits einen Schritt in diese Richtung unternommen. Doch obwohl das Vorhaben breite Unterstützung in der Bevölkerung findet, ist seit der Vorstellung des Entwurfs 2023 nichts passiert. Verbindliche Regeln fehlen weiterhin – während Kinder täglich Werbebotschaften für ungesunde Produkte ausgesetzt sind.
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Der leichtsprachliche Text wurde übersetzt von:
Isabella von Luxburg,
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